Von Ljubljana nach Idomeni (1)
Photo credits: Tara Hui
12. April 2016, im Nachtzug von Belgrad nach Thessaloniki
Noch in Slowenien hat mich ein serbischer Kunsthändler vor dem Balkanzügen gewarnt. Pass auf, sagt er mir an meinem letzten Abend in Ljubljana. Warum, frage ich ihn. Because it’s the Balkan, antwortet er. Ich aber kenne die Balkanstaaten nicht und steige in Belgrad in den halbleeren Zug.
Hinter den strahlenförmigen Pylonseilen der Savebrücke geht die Sonne unter. Sie verschwindet in den Tiefen der Ada Ciganlija. Ich rattere in einem rostigen Waggon vorbei an kleinen Dörfern in die Dunkelheit.
Mir fallen die Augen zu, obwohl es erst acht Uhr abends ist. Im Halbschlaf zieht sich Zigarettenrauch aus den Nachbarabteilen wie ein winziger Strick um meine Bronchien und endloses Gequassel von nebenan dröhnt in mein Trommelfell. Es ist immer nur ein Mann, der da über Gott und die Welt zu diskutieren scheint. Er spricht in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Mir ist, als rede er die ganze Nacht hindurch. Wird er denn niemals müde?
Als er endlich still ist, werde ich von einem lauten Klopfen geweckt. Pass control. Es ist kurz nach drei Uhr morgens. Ein Grenzbeamter, der endlose Wortketten wie ein Feuer ausspeit, das ich einfach nicht zu fassen kriege. I am sorry, I only speak English, stammele ich. Er sammelt alle Pässe ein. Wir bekommen sie erst eine viertel Stunde später wieder zurück. Schlaftrunken klettere ich zurück auf mein Etagenbett. 30 Minuten später das gleiche Spiel auf der anderen Seite der Grenze. Mazedonien. Pass control. Wieder ein unverständliches Wortgewusel. Ein Grenzbeamter leuchtet mein Abteil mit einer Taschenlampe aus. Zehn Minuten später schiebt sich ein Mann in braun-beigem Karojacket und Rollkragenpullover durch den Gang. Anything to declare? Wieder ein anderer gibt mir nach einer weiteren gefühlten halben Stunde den Reisepass zurück. Kurz nach vier. Auf Wiedarrrsehn, sagt er noch. Ich staune, plötzlich Deutsch zu hören.