Das wiedergefundene Yoni-Ei
Neues Jahr, neues Glück, dachte ich mir Anfang Januar 2019. Dinge anders, Dinge besser machen, das war mein Plan. Da kam mir das zufällig wiedergefundene Yoni-Ei sehr gelegen. Bisher hatte ich das Edelsteinei nur ein einziges Mal getragen. Nur ganz kurz, nicht einmal 24 Stunden lang. Aber jetzt am Jahresanfang wollte ich mich konsequenter um meine Weiblichkeit kümmern.
Yoni-Eier, auch Jade-Eier genannt, werden in östlichen Kulturen bereits seit vielen Jahrhunderten benutzt. Westliche Gynäkologen sehen das Vaginalei kritisch, aber ich treffe in Berlin mehrere Frauen, die begeistert sind davon. Auch die US-Schauspielerin Gwyneth Paltrow schwärmt davon. Und ja: Das Ei wird in die Scheide eingeführt und soll dort die Durchblutung fördern, den Beckenboden stärken, sexuelle Traumata auflösen und die Orgasmusfähigkeit verbessern. Wundereier also.
Becken-Decluttering
Mein eigenes Yoni-Ei war aus transparent schimmernden Rosenquarz. Es besaß die Größe eines Wachteleis und war hübsch anzusehen. Fand ich. Aber es einführen und dort erst einmal zu belassen, fand ich dochb etwas unheimlich. Doch die Yoni-Ei-Vertreiberin, von der ich vor Monaten mein Wundersteinchen gekauft hatte, hatte ihrem Workshop betont: „Macht euch keine Sorgen. Das Ei kommt von selbst wieder heraus, wenn es seine Arbeit getan hat.“ Das könne einige Stunden, aber auch mehrere Tage bis hin zu zwei Wochen dauern. Je nachdem, was und wieviel zu tun sei. Sprich: Decluttering im Becken.
Zwiegespräche mit der Yoni
So lag ich Mitte Januar in meinem Bett, atmete ein, atmete aus und schob den Stein behutsam zwischen meine Beine. Ich versuche, Zwiesprache mit meiner Yoni zu halten. Versuchte mich in sie hineinzufühlen. Willst du das? Willst du das wirklich? Willst du das jetzt? Ich kam mir komisch dabei, ihr all diese Fragen zu stellen. Sonst rede ich nie mit ihr, und mein Verhältnis zum eigenen Körper ist kompliziert. Auch nach all den Jahren, nach all den Jahrzehnten unserer Bekanntschaft sind wir immer noch keine beste Freundinnen.
Zu meinem Erstaunen ging dann alles ganz schnell. Mit einem Flop flutschte mein rosa Ei in mein Innerstes hinein. Es war, als habe meine Vagina das rosa Steinchen verschlungen. Gierig und gefrässig. Ich erschrak. In diesem Moment hatte ich eine leise Ahnung davon, woher die Angst mancher Männer vor dem weiblichen Geschlecht kommt.
Wie ein eierlegendes Huhn
So trug ich also das Ei in mir. Irgendwie anders als schwanger zu sein oder einen Tampon zu tragen. Ich warte auf die sexuelle und energetische Erneuerung. Doch sie blieb aus. Ich fühlte mich weder weiblicher noch sexuell aktivierter. Es braucht Zeit, alles braucht Zeit, sagte ich mir. Trotzdem stieg Panik in mir auf. Wann kommt das Ei wieder heraus? Was ist, wenn es mehrere Wochen in meinem Unterleib verweilt? Was ist, wenn ich mir eine Entzündung hole? Ziemlich schnell wollte ich das Ding wieder loswerden. Ich versuchte, es wieder herauszupressen. Wie ein eierlegendes Huhn. Aber das Eierlegen klappte nicht.
Ich ging schlafen, wachte am anderen Morgen wieder auf und sah nach, ob ich ein Ei gelegt hatte. Fehlanzeige. Ich ging einkaufen, ich ging arbeiten, ich ging ins Café. Nichts tat sich. Das Ei steckte fest. Dabei tat es nicht weh. Ich spürte es kaum. Trotzdem passte es mir nicht, dass ich es nicht unter Kontrolle hatte. Tampons, Menstruationstassen und Schwangerschaften konnte ich gut händeln. Das Yoni-Ei nicht. Ich hatte die Worte der Workshop-Leiterin im Kopf: „Das Ei kommt von selbst wieder heraus, wenn es seine Arbeit getan hat.“ Meine Güte, was hat es denn „da unten“ alles zu tun, wollte ich wissen. War was falsch mit meinem Körper?
Ich hatte keine Chance
Wieder erwache ich, und das Ei war immer noch in meiner Vagina. Vielleicht ist es gar nicht mehr da, dachte ich. Vielleicht war es längst im Klo verschwunden. Ohne, dass ich es bemerkt hatte. Oder es lag irgendwo zwischen den Bettlaken. Ich durchwühlte mein Bett. Fehlanzeige. Ich gab auf und damit die Kontrolle. Mir wurde klar, dass ich keine Chance hatte. Dass ich den Stein einfach machen lassen musste. Wahrscheinlich würde es noch Tage dauern, bis er wieder herauskam. Alles, was ich brauchte, war Vertrauen. Vertrauen ins Leben. Vertrauen in meine Yoni und ihr Rosenquartz-Ei.
Und dann passierte es. Mehr als 50 Stunden nach seiner Einführung kam mein Yoni-Ei wieder heraus. Viel schneller als es reingekommen war. Dabei hatte hatte ich schon begonnen, Freundschaft mit ihm zu schließen. Es geschah im Kaffeehaus, als ich nichtsahnend auf die Toilette ging. Ich spürte es nicht, aber ich hörte es: Klack, klack! Der Stein war in das WC-Becken geplumpst und sofort weiter in das Abflussrohr gerollt. Immerhin hatte mein eigenwilliges Turbo-Ei nicht das WC-Becken gesprengt. Etwas, wovor uns die Workshopleiterin eindringlich gewarnt hatte: „Das ist schon öfters passiert und erklärt das mal. Also: Haltet die Hand davor oder nehmt euch ein Teesieb mit, wenn ihr auf Toilette geht.“
Doch es war zu spät. Mein zartrosa Edelsteinei war jetzt woanders. Es war in anderen Sphären irgendwo in den Tiefen der Berliner Kanalisation.
Text: Julia Christ